Samstag, 25. Juni 2022

Novalis Rezeption

Novalis


Schwärmerei, Träumerei und weltfremder Idealismus sind noch die mildesten Vorwürfe, die Novalis zuteil geworden sind; auch Obskurantismus und restauratives Denken glaubte man bei ihm diagnostizieren zu können. Beim offenbar dekadenten Aristokraten schließlich wurden unabgegoltenen Erotik und Nekrophilie gerügt, das er seiner verstorbene Geliebten Sophie von Kühn ein bewegendes Totengedenken schrieb. Nein, er ist nicht sehr gut weggekommen bei seinen Kritikern, und auch eine solide Beschäftigung mit seinem Werk hat dergleichen Vorwürfe und Vorurteile nicht beseitigen können.

Friedrich von Hardenberg

Samstag, 18. Juni 2022

»Heinrich von Ofterdingen« von Novalis




Heinrich von Ofterdingen

Heinrich von Ofterdingen

1802, also ein Jahr nach dem Tod des Autors Novalis, erschien der Roman ›Heinrich von Ofterdingen‹. Er gilt seitdem als der romantische Roman schlechthin.

»Heinrich von Ofterdingen« ist ein 1802 erschienener Roman des deutschen Dichters Novalis. Novalis hat einen Entwicklungsroman geschrieben, den man als spirituellen Roman der deutschen Seele bezeichnen könnte. Leider blieb sein Werk unvollendet. Dennoch hat sein Werk so manchen inspiriert. Heute, da unsere Kultur allmählich unterzugehen droht, könnte man den Roman unter der Fragestellung nach der deutschen Seele und der Art und Weise unserer heimischen Spiritualität lesen.

Novalis ließ dieses Buch als "Roman" veröffentlichen, ist jedoch ein wunderbares Märchen voll von Sehnsucht, Träumerei, Wissensgier und Geschichten. Der junge Heinrich träumt von einer blauen Blume, dem Symbol der Poesie, und möchte seinen Wissensdurst nach der vollendeten, erfüllenden Poesie stillen. Mit wunderschönen Gedankenbildern beschreibt Novalis seine Erlebnisse und Begegnungen. Immer wieder sind wunderschöne Gedichte und Geschichten zu lesen. Vor allem jene Geschichte am Ende des ersten Teils gilt als Wegweisung zum leider unvollendeten zweiten Teil. Dies ist das einzige Manko an diesem Roman, jedoch ein sehr gravierendes. Denn auf Grund Tiecks Bericht (Ende des unvollendeten zweiten Teils) kann man nur erahnen, worauf Novalis Roman enden wollte. So geht auch viel Eigeninterpretation verloren, da unspektakulär das Geheimnis der blauen Blume und die "Aufklärung" der Geschichte Ende des ersten Teils gelüftet wird.
Dennoch zählt das Werk Novalis' zu einem der schönsten Märchen aller Zeiten.

Mit seiner reflexiven Struktur, in der sich Momente des Bildungsromans, symbolische Traumdarstellungen und Märchen ineinander spiegeln und die ein komplexes Beziehungsgefüge von Mythologie, Natur und Geschichte erkennen lassen, gehört Heinrich von Ofterdingen zu den bedeutendsten Werken der deutschen Romantik.

Entstehung: Der auf zwei Teile angelegte Roman um die Gestalt eines historisch nicht nachweisbaren Minnesängers stellt auf vielerlei Weise einen Gegenentwurf zu Goethes »Wilhelm Meisters Lehrjahre« dar. So sehr Novalis die Formvollendung des Wilhelm Meister schätzte, so scharf kritisierte er gleichwohl dessen »bürgerliche und häusliche Geschichte«. Während er bei Goethe das Poetische im Alltäglichen aufgehen sah, konzipierte er selbst eine Transformation des Alltäglichen ins Märchenhafte. Als »Apotheose der Poesie« sollte sich diese vor allem im zweiten Teil des Heinrich von Ofterdingen ereignen, von dem jedoch nur einige Bruchstücke, Skizzen und Gedichte existieren.


Inhalt: Die im Hochmittelalter angesiedelte Handlung stellt den Prozess dar, in dem sich der etwa 20-jährige Heinrich zum Dichter entwickelt.

Der erste Teil – »Die Erwartung« – beginnt mit dem berühmten Traum von der blauen Blume, in deren Kelch Heinrich ein weibliches Gesicht erblickt. Als Ahnung nimmt der Traum die Begegnung mit einer zunächst noch fremden Welt vorweg. In Begleitung von Kaufleuten wird er mit praktischen Lebensverhältnissen sowie mit Märchen und Erzählungen bekannt. Unterwegs begegnet er einem Bergmann, der ihn ins Erdinnere und damit auch ins Innere bzw. in die »fabelhafte Urzeit« der Natur führt. Von einem Einsiedler erhält Heinrich Aufschluss über die Kunst der Geschichtsschreibung, die kein bloßes Registrieren sei, sondern sich immer als deutende Gestaltung vollzieht. In Augsburg trifft Heinrich schließlich den Dichter Klingsohr und verliebt sich in dessen Tochter Mathilde, in deren Gesicht er das Antlitz aus dem Kelch der blauen Blume wieder erkennt. Ein weiterer Traum verkündet ihm Mathildes Tod, zugleich aber auch eine Wiederbegegnung und einen ewigen Bund. Der erste Teil endet mit Klingsohrs allegorischem Märchen, in dem die Kinder Eros (Liebe) und Fabel (Poesie) mit Hilfe von Ginnistan (Phantasie), dem Vater (Sinn), der Mutter (Herz), dem alten Helden und dessen Frau Sophia (Weisheit) das zu Eis erstarrte Reich Arcturs befreien, Arcturs Tochter Freya (Frieden) zur Herrschaft verhelfen und so ein neues Zeitalter herbeiführen.

Im Jahr 1800 entstand der zweiten Teil des Romans „Heinrich von Ofterdingen“, den er geplant hatte, jedoch aufgrund seiner Krankheit und seines frühen Todes nicht vollenden konnte. Sein enger Freund Ludwig Tieck gab den ersten Teil des Romans 1802 nach dem Tod Hardenbergs mit einem Nachwort heraus, in dem er auf der Basis seiner Erinnerungen sowie der Notizen des Autors das Vorhaben des Freundes beschreibt und auf dessen übergeordnetes Ziel hinweist: „Denn es war ihm nicht darum zu tun, diese oder jene Begebenheit darzustellen, eine Seite der Poesie aufzufassen, und sie durch Figuren und Geschichten zu erklären, sondern er wollte, wie auch schon im letzten Kapitel des ersten Teils bestimmt angedeutet ist, das eigentliche Wesen der Poesie aussprechen und ihre innerste Absicht erklären. Darum verwandelt sich Natur, Historie, der Krieg und das bürgerliche Leben mit seinen gewöhnlichsten Vorfällen in Poesie, weil diese der Geist ist, der alle Dinge belebt“. In dem vorliegenden Gedicht geht die Dichtung Hardenbergs sogar über das diesseitige Leben hinaus und beschreibt das Leben im Jenseits mit all seinen sinnlichen und geistigen Genüssen.
Der zweite Teil – »Die Erfüllung« – beginnt mit einem Prolog der Astralis, einem geisterhaften Wesen, das aus der ersten Umarmung Heinrichs mit Mathilde hervorgegangen ist. In den Worten »die Welt wird Traum, der Traum wird Welt« kündigt sich der Übergang des Geschehens ins Märchenhafte an.

Aufbau: Die wechselseitigen Spiegelungen, durch die beispielsweise der Traum von der blauen Blume, das von den Kaufleuten erzählte Atlantis-Märchen, Heinrichs Begegnung mit Mathilde und Klingsohrs Märchen miteinander in Beziehung gesetzt werden, korrespondieren mit der frühromantischen Theorie einer sich selbst reflektierenden und dabei sich potenzierenden Darstellungsform. Klingsohrs Märchen, das die verschiedenen Motive des Romans auf neue Weise miteinander kombiniert, geht daher auch weit über eine Allegorie hinaus.

Wirkung: Die blaue Blume wurde zum Inbegriff der romantischen Sehnsucht und als solche schwärmerisch verehrt oder als Weltfremdheit verworfen. Eine eingehendere Rezeption des Romans erfolgte erst im 20. Jahrhundert, vor allem im Zuge des Symbolismus.


Heinrich von Ofterdingen


Der Dichter und Naturschwärmer Novalis (1772 - 1801) in seinem Roman »Heinrich von Ofterdingen« in der »Blauen Blume« ein Symbol der romantischen Poesie.


Literatur:

Heinrich von Ofterdingen

Heinrich von Ofterdingen von Novalis